Das Couvade-Syndrom: Schwangerschaftssymptome bei Männern
Für einige Männer bleibt es allerdings nicht nur bei der Gewichtszunahme. Sie entwickeln darüber hinaus eine Reihe weiterer Symptome, die eigentlich nur für schwangere Frauen typisch sind (wie Übelkeit oder Stimmungsschwankungen). Dieses Phänomen wird als Couvade-Syndrom oder Co-Schwangerschaft bezeichnet.
Was ist das Couvade-Syndrom?
Das Couvade-Syndrom wurde erstmals 1865 genauer beschrieben. Der Begriff Couvade leitet sich von dem französischen Wort „couver“ ab, was so viel wie „ausbrüten“ bedeutet. Er wird im Kontext der Schwangerschaft und Entbindung einer Frau verwendet. Allerdings nicht für die schwangere Frau, sondern für ihren männlichen Partner. Andere Wörter für das Couvade-Syndrom sind etwa „Parallelschwangerschaft“, „Männerkindbett“ oder „Co-Schwangerschaft“. Diese Begriffe umschreiben bereits relativ gut, worum es sich bei dem Couvade-Syndrom handelt: Bei einigen Männern treten während der Schwangerschaft ihrer Partnerin ebenfalls einige der typischen Schwangerschaftssymptome auf. Diese können sowohl psychischer als auch körperlicher Natur sein. In vorindustriellen Gesellschaften und vielen Kulturen der Welt entstanden Rituale, die auf ganz unterschiedliche Weise den Übergang des Mannes in die neue Lebensphase als Vater thematisierten. Dabei wurden etwa magische Handlungen zum Wohle des Kindes vollzogen oder der Mann ahmte Wehen oder die Entbindung nach. Das Couvade-Syndrom, wie wir es heute kennen, basiert auf einer sich wandelnden Sichtweise auf die Vaterschaft und der stärker involvierten Rolle des Mannes während der Schwangerschaft und Geburt. Das Couvade-Syndrom lässt sich mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt bei etwa 20 bis 25 Prozent aller Männer beobachten. Derzeit spricht man im Zusammenhang mit dem Couvade-Syndrom nur über Cis-Männer in einer heterosexuellen Partnerschaft – also Männer in einer klassischen Mann-Frau-Beziehung.
Das Couvade-Syndrom und die Symptome
Im Gegensatz zu Couvade-Ritualen handelt es sich beim Couvade-Syndrom nicht um eine Vortäuschung bestimmter Schwangerschafts- oder Geburtsmerkmale. Vielmehr entwickeln Männer die folgenden Symptome ganz unbewusst und sie stellen erst einmal keinen direkten Zusammenhang mit der Schwangerschaft ihrer Partnerin her.
Die körperlichen Symptome des Couvade-Syndroms
Den „solidarisch“ wachsenden Bauch beim Mann kennen vielleicht die ein oder anderen Paare. Diese Gewichtszunahme des nicht schwangeren Elternteils belegen mehrere Studien und sie könnte ein Symptom des Couvade-Syndroms sein. Der männliche Partner könnte aber noch weitere üblichen Anzeichen oder Beschwerden einer Schwangerschaft übernehmen, wie:
Stimmungsschwankungen
Übelkeit
Erbrechen
Verdauungsstörungen (wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung)
Sodbrennen
Heißhunger
Gewichtszunahme
Zahnschmerzen
Rückenschmerzen
Veränderungen der Haut
Beinkämpfe
Schwindel
Müdigkeit
vermehrter Harndrang
Diese körperlichen Erscheinungen sind durchaus real. In den meisten Fällen sind sie jedoch nicht weiter bedenklich und müssen nicht von einem Arzt / einer Ärztin behandelt werden.
Die emotionalen Symptome des Couvade-Syndroms
Die Ankunft eines Babys verändert vieles. Stimmungsschwankungen sind daher bei schwangeren Frauen normal. Bei Männern lässt sich manchmal beobachten, dass sie sich um die finanzielle Sicherheit der Familie sorgen oder sich mehr als sonst für die Belange rund um das Heim einsetzen. Sie nehmen möglicherweise in den Monaten vor der Geburt extra Arbeit an, um etwas mehr Geld zu verdienen oder erledigen liegengebliebene Reparaturen im Haus. In manchen Fällen zeigt sich, dass die Schwangerschaft der Partnerin für den Mann eine große emotionale Herausforderung ist. Das Couvade-Syndrom kann sich auf der psychischen Ebene durch folgende Symptome bemerkbar machen:
Gereiztheit
Ruhelosigkeit
Angstzustände
depressive Verstimmungen (bis hin zur Depression)
verminderte Libido
Gelegentlich neigt ein Mann auch zu einer ungesunden, übermäßig schnellen Atmung (Hyperventilationsanfall), wenn er mit einer bestimmten Situation in der Schwangerschaft oder während der Entbindung besonders überfordert ist.
Wann treten die Symptome des Couvade-Syndroms auf und wie lange halten sie an?
Forscher haben beobachtet, dass die körperlichen und/oder emotionalen Symptome des Couvade-Syndroms bei Männern häufig im ersten Trimester der Schwangerschaft ihrer Partnerin auftreten. In dieser Zeit macht der Körper der Frau große Veränderungen durch. Im zweiten Trimester bessert sich der Zustand meist etwas, während die Symptome gegen Ende der Schwangerschaft wieder verstärkter auftreten könnten. Das Erscheinungsbild des Couvade-Syndroms könnten sich mit der Teilnahme an einem Geburtsvorbereitungskurs im dritten Trimester verstärken. Zum Beispiel dann, wenn sich der Inhalt hier lediglich auf die Frau konzentriert und die Rolle des Mannes kaum berücksichtigt wird. Die Symptome klingen in der Regel nach der Geburt des Kindes wieder ab. Werden Männer zum zweiten Mal Vater, tritt das Couvade-Syndrom im Übrigen seltener auf.
Couvade-Syndrom: Warum haben Männer Schwangerschaftssymptome?
Warum einige Männer das Couvade-Syndrom entwickeln, ist bisher nicht vollständig geklärt. Es gibt allerdings einige Theorien darüber, wie es dazu kommen könnte:
Stress und Überforderung. Werdende Eltern müssen sich erst einmal mit dem Gedanken vertraut machen, bald schon die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Befindet sich der Mann darüber hinaus noch in einer schwierigen persönlichen oder beruflichen Situation, kann es passieren, dass er mit der Schwangerschaft überfordert ist und sich dies im Couvade-Syndrom manifestiert.
Hormonelle Veränderungen. Männer, die unter Schwangerschaftsbeschwerden leiden, zeigen laut einer Studie einen erhöhten Prolaktinspiegel (Hormon, welches u. a. für die Produktion von Muttermilch verantwortlich ist) und einen Abfall des männlichen Hormons Testosteron.
Unbewusste Ängste und Gefühle. Das Couvade-Syndrom könnte durch Ängste ausgelöst werden – etwa, die Liebe und Zuneigung der Frau an das Kind zu verlieren, wenn dieses erst einmal geboren ist. Teilweise wird sogar angenommen, dass sich hinter dem Couvade-Syndrom ein gewisser, unterbewusster Neid auf die gebärende Partnerin verbirgt.
Starke Identifikation mit der Schwangeren. Manch ein Mann scheinen sich so sehr in die momentane Situation seiner schwangeren Partnerin hineinversetzen zu können, dass er sogar dieselben Symptome spürt. Dies ist per se nichts Krankhaftes, sondern kann sogar zu einer engen Vater-Kind-Bindung beitragen.
Weiterhin werden in Fachkreisen u.a. eine problematische, psychosoziale Entwicklung des männlichen Partners oder psychische Grunderkrankungen diskutiert, die durch eine Schwangerschaft zum Vorschein kommen könnte. Die Vaterschaft ist ein lebensveränderndes Ereignis und es ist gut nachvollziehbar, dass dies bei Männern (genauso wie bei Frauen auch) Ängste und Sorgen hervorruft. Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Couvade-Syndrom Väter auf ihre neue Rolle vorbereitet. Daher äußert sich dieses Syndrom besonders bei Männern, die zum ersten Mal Vater werden oder die sich in schwierigen sozialen Situationen oder einer problematischen Beziehung zur schwangeren Frau befinden.
Das Couvade-Syndrom und die veränderte Sichtweise auf die Vaterschaft
Früher wurde die Rolle des Vaters gesellschaftlich als die des Versorgers und Beschützers konstruiert. Während der Schwangerschaft einer Frau wurden Väter oft in die Rolle des Beobachters gedrängt. Heutzutage ist es üblich, dass ein Vater während der Schwangerschaft seiner Partnerin eine wichtige Rolle übernimmt. Viele Männer begleiten ihre schwangere Partnerin zum Gynäkologen / zur Gynäkologin, nehmen an geburtsvorbereitenden Seminaren teil, unterstützen während der Entbindung und nehmen sofort nach der Geburt Kontakt zu ihrem Kind auf (z. B. Bonding durch Haut-zu Haut-Kontakt). Im Vergleich zu früher, übernehmen heute Väter viel mehr Aufgaben bei der Pflege des Säuglings und sind bereits während der Schwangerschaft stärker involviert. Es ist möglich, dass sie daher auch viel vertrauter mit den schwangerschaftsspezifischen Symptome sind und diese gut nachempfinden können.
Couvade-Syndrom – Anzeichen erkennen und handeln
Bisher wird dem Couvade-Syndrom wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dies liegt sicherlich auch daran, dass Männer in der Öffentlichkeit selten darüber sprechen. Doch gerade, wenn das Couvade-Syndrom ein Resultat von Unsicherheit oder Ängsten ist, sollte man darüber offen reden und dem entgegenwirken.
Anzeichen der Überforderung
In Zeiten großer Umbrüche – wie es bei einer Schwangerschaft der Fall ist – ist es sicherlich nicht immer leicht zu erkennen, ob man mit einer Situation überfordert ist oder es sich bei den Gefühlen um eine ganz normale Reaktion handelt. Sollten bei dir bzw. deinem Partner die folgenden Dinge die Gefühls- und Gedankenwelt dominieren, könnte dies ein Anzeichen dafür sein, dass du bzw. dein Mann mit der Schwangerschaft überfordert ist:
Unwille, die Schwangerschaft zu akzeptieren: Machen die Veränderung Angst oder bereiten sie große Sorgen? Wird die Zukunft mit Kind als bedrohlich oder negativ wahrgenommen?
Starke Angst vor Schwangerschaftskomplikationen: Herrscht die Überzeugung vor, dass etwas mit dem ungeborenen Baby nicht stimmen oder es zu Komplikationen kommen könnte?
Trauer um den Verlust der persönlichen Freiheit: Überschatten die Trauer über den Verlust gewisser Freiheiten oder anderer Komponenten des Lebens die Vorfreude auf das Kind?
Zweifel an der eigenen Kompetenz: Beherrschen Zweifel an den eigenen Fähigkeiten als Vater die Gefühls- und Gedankenwelt?
Sicherlich kommt es hierbei immer auf die Intensität der Gefühle an, denn Unsicherheit und gewisse Fragen die Zukunft betreffend, gehören gerade bei der ersten Schwangerschaft zum Vaterwerden dazu.
Wie man sich bei einem Couvade-Syndrom verhalten kann
Da es sich beim Couvade-Syndrom weder um eine spezielle Krankheit noch um eine ernsthafte psychische Störung handelt, gibt es auch keine Behandlungs-Richtlinie. Dennoch sollte man die Symptome nicht ignorieren, denn ihnen liegen meist Ursachen zugrunde, die man als werdender Vater nicht ignorieren sollte. Daher empfiehlt sich das Folgende:
Vorbereitung auf das Baby: Genau wie die schwangere Frau auch sollte sich der Mann auf seine neue Rolle vorbereiten. Wie wechselt man eine Windel? [https://www.pampers.de/neugeborenes/pflege/artikel/wie-man-eine-windel-wechselt] Wie teilt man sich die Elternzeit [https://www.pampers.de/schwangerschaft/gesunde-schwangerschaft/artikel/elternzeit-fuer-vater] ein oder wie entwickelt sich das Baby gerade im Bauch der Mutter? Die Beschäftigung mit diesen Themen kann eine Hilfestellung sein und Ängste abbauen.
Über Ängste und Sorgen sprechen: Werdende Väter sollten jede Gelegenheit nutzen, über ihre Gefühle und Sorgen zu sprechen. Besonders die Partnerin sollte darüber Bescheid wissen. Aber auch enge Freunde / Freundinnen und selbst die Hebamme sind gute Ansprechpartner.
Sich Hilfe holen: Ein betroffener Mann sollte sich dann Hilfe von Außen holen, wenn er eine negative Einstellung der schwangeren Frau oder dem Baby gegenüber entwickelt haben sollten. Liegt eine echte psychische Störung zugrunde, muss selbstverständlich ein Fachmann / eine Fachfrau zurate gezogen werden.
Oft hilft es bereits zu wissen, dass die körperlichen und psychischen Symptome des Couvade-Syndroms in vielen Fällen nichts weiter als Ausdruck einer emotionalen Beteiligung an der Schwangerschaft und der Geburt sind.
Fakten im Überblick
Männer können während der Schwangerschaft ihrer Partnerin zunehmen. Im Vergleich zur schwangeren Frau, ist die Gewichtszunahme bei Männern meist weniger drastisch. Die zusätzlichen Kilos könnten dadurch entstehen, dass sich der Mann den neuen Lebensumständen der Frau anpasst (z. B. weniger Sport, kalorienreiche Ernährung). Eine auffällige Gewichtszunahme könnte allerdings auch auf das Couvade-Syndrom zurückzuführen sein.
Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass sich auch bei Männern mehr oder weniger starke Schwangerschaftssymptome zeigen, denn auch für sie beginnt mit der Schwangerschaft ein neuer, aufregender Lebensabschnitt.
Zur Entstehung dieses Artikels: Alle Inhalte in diesem Artikel basieren auf vertrauenswürdigen, fachspezifischen und öffentlichen Quellen. Die hier aufgeführten Ratschläge und Informationen ersetzen keinesfalls die medizinische Betreuung durch entsprechendes Fachpersonal. Konsultiere für eine professionelle Diagnose und Behandlung immer deinen Arzt bzw. deine Ärztin.