Eine Familie, zwei Sprachen – Bilinguale Erziehung
In einer immer enger zusammenwachsenden Welt ist das gegenseitige Verständnis einer der wichtigsten Bausteine des Zusammenlebens. Kinder, die zweisprachig aufwachsen, sind anderen hier bereits einen Schritt voraus. Die bilinguale Erziehung kann sich in vielerlei Hinsicht lohnen und dein Kind stärken.
Mehrsprachiges Aufwachsen und die Vorteile
Knapp 15 Prozent der Bevölkerung sprechen neben Deutsch noch mindestens eine andere Sprache zu Hause. Weitere fünf Prozent sprechen innerhalb der Familie kein Deutsch, sondern eine oder mehrere andere Sprachen. Die Kinder aus diesen Haushalten wachsen in der Regel zwei- oder gar mehrsprachig auf.
Solltest du unsicher sein, ob es sinnvoll ist, dein Kind zweisprachig zu erziehen, kannst du deine Zweifel beiseitelegen. Mehrsprachigkeit bei Kindern zu fördern, hat nur Vorteile:
Kulturverständnis: Sprache vermittelt nicht nur Inhalte, sondern eröffnet auch den Zugang zu anderen Kulturen und fördert das gegenseitige Verständnis. Einem zweisprachigen Kind ist dies also schon mit in die Wiege gelegt worden.
Kognitive Fähigkeiten: Studien haben gezeigt, dass Kinder, die eine zweisprachige Erziehung genossen haben, ihre Aufmerksamkeit schneller und effektiver auf Dinge richten können. Dies verbessert das Multitasking (sich gleichzeitig mit mehreren Sachen zu beschäftigen) und das abstrakte Denkvermögen.
Zukunftsfähig: Selbst die Kleinsten werden mal erwachsen und treten ins Arbeitsleben über. Spätestens dann wird dein Liebling die bilinguale Erziehung zu schätzen wissen, denn wer zwei Sprachen flüssig spricht, hat bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Kommunikationsfähigkeiten: Man kann beobachten, dass zweisprachige Menschen in Gesprächen besonders gut auf ihre Gegenüber eingehen können, da sie sich aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit besser in die Lage des jeweils anderen versetzen können.
Zweisprachige Erziehung: Ab wann und wie sollte man damit beginnen?
Generell gilt: Es ist nie zu spät, eine Sprache zu lernen. Das ist auch auf Kinder übertragbar. Dennoch kann man sagen, dass eine frühzeitige Förderung der Zweisprachigkeit dazu führt, dass dein Kind die Sprache sicher beherrschen wird. Daher beginnen Sprachprogramme möglichst schon vor der Einschulung.
Kinder von Anfang an zweisprachig erziehen
Ab wann du damit beginnst, dein Kind zweisprachig zu erziehen, liegt ganz bei dir. Es ist nie zu früh und auch nie spät dafür. Schon während der Schwangerschaft kannst du mit deinem ungeborenen Baby in deiner Muttersprache sprechen. Etwa ab der 25. Schwangerschaftswoche ist das Gehör eines Babys ausgebildet und es kann sich mit dem Rhythmus und dem Klang der Sprache der Mutter vertraut machen.
Bereits direkt nach der Geburt beginnt die bilinguale Erziehung. Und das ganz unbewusst und ohne erzieherische Hintergedanken: Wann immer du oder dein:e Partner:in mit eurem Kind sprecht, hört es nicht nur zu, sondern verfolgt überdies mit seinen Augen die Lippenbewegungen. So kann dein Liebling bereits nach wenigen Monaten zwischen zwei Sprachen unterscheiden.
Noch bevor dein mit dem Sprechen beginnt, kann es einen Zusammenhang zwischen den Dingen und den entsprechenden Wörtern dafür herstellen. Sobald es dann aktiv beginnt, diese Sachen bei ihrem Namen zu nennen, wird es dies theoretisch in beiden Sprachen machen können. Vorausgesetzt natürlich, es hat von dir oder anderen Personen die entsprechenden Informationen dafür erhalten.
Es lässt sich allerdings beobachten, dass sich zwei Sprachen nicht gleich schnell entwickeln. Bleibst du am Ball, wird dein Liebling aber bald in beiden sicher sein.
Spätere Einführung der zweiten Sprache
Solltest du dich erst später für eine bilinguale Erziehung entscheiden, kannst du damit jederzeit beginnen. Wahrscheinlich bedarf es etwas mehr Geduld, denn das Einführen einer neuen Sprache ist zunächst eine Umstellung für deinen Schatz. Gehe behutsam vor und wende vielleicht auch die folgenden Methoden an:
Alltägliche Situationen: Benutze die zweite Sprache in Situationen, die dein Kind kennt und den Wortschatz bereits dafür besitzt. Diesen kann es dann um die Zweitsprache erweitern, ohne Angst zu haben, wichtige Informationen zu verpassen.
Spaß an der Sache: Führe Kinderlieder oder Reime in der anderen Sprache ein. Dein Kind wird Freude daran entwickeln und kann sich allmählich an den Rhythmus und den Klang gewöhnen.
Zweite:r Sprecher:in: Meist ist es hilfreich, wenn eine andere Person die zweite Sprache übernimmt. Dies kann sogar eine Handpuppe sein, die plötzlich zum Leben erwacht und mit deinem Kind in einer anderen Sprache spricht.
Das Wichtigste ist Geduld und das kontinuierliche Verwenden der Sprache. Bedenke dabei immer: Mehrsprachiges Aufwachsen folgt keiner Formel und Kinder entdecken Sprachen auf ganz unterschiedlichen Wegen. Du kannst die Mehrsprachigkeit bei deinem Liebling fördern, aber solltest seine Fähigkeiten und Fortschritte nicht mit anderen vergleichen. Was für das eine Kind zutrifft, muss noch lange nicht für deinen Sprössling gelten.
Methoden der bilingualen Erziehung
Bevor du den Entschluss fasst, dein Kind zweisprachig zu erziehen, solltest du dir eine oder mehrere Methoden suchen, die zu deiner Familie und euren Bedürfnissen passen.
OPOL-Methode (One Parent, One Language)
Bei der sogenannten „One Parent, One Language“- Strategie – also „ein Elternteil, eine Sprache“ – entscheidet sich die Bezugsperson für eine Sprache, die sie exklusiv im Umgang mit dem Kind verwendet. Sprichst du also etwa Arabisch mit deinem Kind, solltest du dies immer dann tun, wenn du deinen Liebling ansprichst. Wechsel in dem Zwiegespräch möglichst nicht zu einer anderen Sprache.
Eltern sollten bei der OPOL-Methode in ihrer Muttersprache bleiben. Wählst du eine Sprache, mit der du nicht von Anfang an aufgewachsen bist, könnten sich Fehler einschleichen, die du an dein Kind weitergibst und die sich dann verfestigen. Als Muttersprache oder auch Erstsprache bezeichnet man eine Sprache,
mit der du dich selbst identifizierst,
die du am besten beherrschst,
in der du deine Emotionen ausdrückst,
und die du am häufigsten verwendest.
Ab einem Alter von vier Jahren beginnt dein Kind, den Unterschied zwischen der Sprache, die du benutzt und die deine:e Partner:in gebraucht, ganz bewusst zu erkennen. Es könnte dann beginnen, in der Sprache zu antworten, auf der es angesprochen wurde.
Minderheitensprache zu Hause sprechen
Sprechen du und dein:e Partner:in eine gemeinsame Sprache, die außerhalb eurer Familie nicht oder nur selten gesprochen wird, könntest du dieses Modell wählen. Generell unterscheidet man zwischen:
Mehrheitssprache: Diese wird von der Mehrheit der Bevölkerung gesprochen und entspricht oft auch der Landessprache und der Amtssprache – in Deutschland ist das also Deutsch.
Minderheitensprache: Diese Sprache ist innerhalb des Landes weniger oft verbreitet. Im öffentlichen Raum, wie in der Schule oder bei Behörden, wird sie in der Regel offiziell nicht gesprochen.
Die Minderheitensprache wäre dann eure Familiensprache, die ihr nur zu Hause verwendet. Damit dein Kind aber tatsächlich zweisprachig aufwachsen kann, ist es bei dieser Methode wichtig, ihm auch die Landessprache zugänglich zu machen. Spricht dein Liebling bereits perfekt Deutsch, hat sich dieses Modell als besonders erfolgreich erwiesen, wenn es darum geht, die Minderheitensprache zu erhalten.
Sprachen nach Ort oder Situation trennen
Die „Time and Place“-Methode erfordert etwas Disziplin. Dabei vereinbart ihr innerhalb der Familie, wo und zu welchem Zeitpunkt eine bestimmte Sprache verwendet wird. So könnte die eine Sprache immer dann zum Einsatz kommen, wenn ihr zusammen am Essenstisch sitzt oder im Kinderzimmer spielt, und die andere wird nur morgens oder an einem bestimmten Wochentag verwendet. Es sind also konkrete Absprachen nötig.
Diese Strategie kann mit den beiden bereits erwähnten Modellen kombiniert werden und eignet sich besonders für Personen, die
mehr als zwei Sprachen sprechen.
getrennt voneinander leben und die/der jeweilige Partner:in dennoch die andere Sprache fördern möchte.
alleinerziehend sind und ihre Kinder zweisprachig erziehen möchten.
erst später eine weitere Sprache einführen.
Tipps & Tricks für die bilinguale Erziehung
Mehrsprachiges Aufwachsen ist ein Geschenk. Nutze es und unterstütze dein Kind dabei, sich in beiden Sprachen zu Hause zu fühlen. Unsere Tipps können eine Hilfestellung für euren Alltag sein:
Strategie festlegen: Lege von Anfang an innerhalb der Familie fest, wer welche Sprache mit deinem Kind spricht und wann. Diskutiere dies auch in deinem Freundeskreis und bitte um Unterstützung. Je klarer deinem Kind ist, wann es welche Sprache anwenden kann, desto besser.
Familientraditionen: Wenn Sprache und Tradition eng verbunden sind, fällt es Kindern leichter, den Wortschatz zu verinnerlichen. Haltet also gewisse Familien- oder Landestraditionen aufrecht und sprecht bei deren Ausübung die jeweilige Landessprache.
Sprechen und Benennen: Sprich viel mit deinem Kind. Benenne alles, was euch im Alltag begegnet – Gefühle, Gegenstände, Tätigkeiten.
Spielend lernen: Kinder lernen im Spiel. Nutze dies und verwende im gemeinsamen Spiel mit deinem Liebling ganz bewusst eine bestimmte Sprache. Besuche, wenn möglich, auch eine Spiel- oder Krabbelgruppe, in der eine der beiden Sprachen gesprochen wird, in der du dein Kind erziehen möchtest oder gründe im Zweifel einfach selbst eine.
Lesen: Lies deinem Schatz regelmäßig Kinderbücher in deiner Muttersprache vor. Es gibt sogar zweisprachige Bücher, die ein und dieselbe Handlung in beiden Sprachen erzählen. Damit hat die/der andere Sprachpartner:in deines Kindes ebenfalls die Chance, die Geschichte zu lesen und dein Kind lernt die jeweiligen Wörter im selben Zusammenhang kennen.
Geschwister: Bereichert ein Geschwisterchen die Familie, kannst du dein nun ältestes Kind darum bitten, dem neuen Baby die Sprache beizubringen. Damit bindest du deinen Liebling ganz aktiv in die Vermittlung der zweiten Sprache ein und zeigst ihm, wie bedeutsam das ist.
Am wichtigsten ist, dass du bei der zweisprachigen Erziehung nicht aufgibst, sondern immer am Ball bleibst. Allerdings sollte dies auf möglichst natürliche Weise passieren und nicht zum Zwang für deinen Liebling werden. Nur so wird er Freude an der Sprache entwickeln.
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